Betriebliche Informationssysteme
VL 07 – E-Business und E-Commerce I
Sören Auer, TU Chemnitz, ISST
soeren.auer@informatik.tu-chemnitz.de
Stefan Kühne, Universität Leipzig, FMI IFI BIS
kuehne@informatik.uni-leipzig.de
E-Business
E-Business
Übersicht und Grundlagen
Überblick
E-Business
- Unterstützung sämtlicher Wertschöpfungsprozesse eines Unternehmen durch die Nutzung elektronischer Lösungen und Netzwerke. [Brüne 2009]
- Neugestaltung strategischer Unternehmensprozesse und die Bewältigung der Herausforderungen eines neuen Marktes, der sich zunehmend durch Globalisierung auszeichnet und auf Wissen basiert. [Staudt 2001]
- Anbahnung sowie die teilweise respektive vollständige Unterstützung, Abwicklung und Aufrechterhaltung von Leistungsaustauschprozessen mittels elektronischer Netze. [Wirtz 2001]
E-Procurement und E-Commerce
- Leistungsaustauschprozess = Beschaffungs- oder Vertriebsprozess
- E-Procurement
- Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien zur elektronischen Unterstützung von Beschaffungsprozessen und deren Integration in den Arbeitsablauf eines Unternehmens
- E-Commerce
- jegliche Form geschäftlicher Information, Kommunikation oder Transaktion im Absatzbereich (Vertriebsprozess) von Unternehmen mittels elektronischer Medien
Anwendungsfelder für E-Business

Bezug zum ERP-System

Handlungsmatrix im E-Business
Die vier Dimensionen des E-Business
Beziehungen zwischen verschiedenen Akteuren
Geschäftsbereiche
- Business-to-Consumer
- impliziert den Online-Handel zwischen Unternehmen und Kunden
- die Beziehung ist geprägt durch einen kurzfristigen Marktkontakt und kleinen bis mittleren Transaktionsbeträgen
- im Vordergrund steht die Auswahl des Produktes, die Bestellung und Bezahlung
- Plattformen im B2C sind hauptsächlich E-Shop und E-Marketplace
- Bsp.: amazon.de
Geschäftsbereiche
- Business-to-Business
- Leistungsbeziehung zwischen Unternehmen bzw. Unternehmensgruppen
- im Gegensatz zu B2C von einer längerfristigen Geschäftsbeziehung und komplexen Wertschöpfungsketten geprägt
- Plattformen im B2B sind hauptsächlich E-Company, E-Procurement und E-Marketplace
- Bsp.: supplyon.de
- Consumer-to-Consumer
- Gegenstand ist hauptsächlich die Organisation des Produkt- bzw. Informationsaustausches zwischen Privatpersonen
- Plattformen im C2C sind vorwiegend E-Community und E-Marketplace
- Bsp.: ebay.de
Geschäftsbereiche
- Government-to-Business
- Leistungsaustausch zwischen der öffentlichen Verwaltung und Unternehmen
- bezieht sich überwiegend auf Transaktionen im Bereich der öffentlichen Beschaffung, insbesondere bei formalisierten Ausschreibungsverfahren
- Government-to-Governement
- Leistungsaustausch zwischen Staaten, öffentlichen Institutionen oder Ämtern
- soll zur Unterstützung von Unternehmen beim Handel dienen
- Government-to-Consumer
- beinhaltet Services für Bürger wie z.B. die Bereitstellung von Informationen, Formularen, die Abwicklung der Kfz-Anmeldung, An- und Ummeldung des Wohnsitzes
Plattformen im E-Business
- E-Procurement
- elektronische Beschaffung von Produkten oder Dienstleistungen
- E-Shop
- elektronischer Verkauf von Produkten bzw. Dienstleistungen durch ein Unternehmen über digitale Netzwerke
- E-Marketplace
- stellen virtuelle Handelsplattformen im B2B- oder B2C-Bereich dar, im Gegensatz zu E-Shops gibt es mehrere Leistungsanbieter
Plattformen im E-Business (2)
- E-Community
- organisierter Informationsaustausch/Kommunikation innerhalb eines elektronischen Kontaktnetzwerkes
- Beziehung zwischen Akteuren kann thematisch durch die Kommunikationsinhalte, aber auch über den sozialen oder beruflichen Status der Community-Teilnehmer bestimmt werden
- E-Company
- Verknüpfung von Unternehmen zwecks Kooperation, dabei entsteht ein gemeinsames, über digitale Wertschöpfungsnetze erstelltes Transaktionsangebot
Geschäftskonzepte
Content | Commerce | Context | Connection | Communication | |
Definition | Sammlung, Selektion, Systematisierung und Bereitstellung von Inhalten über Netzwerke | Anbahnung, Aushandlung und/oder Abwicklung von Geschäftstransaktionen über Netzwerke | Klassifikation, Systematisierung und Zusammenführung verfügbarer Informationen in Netzwerken | Repräsentation des Grades der formalen Verknüpfung in Netzwerken | Herstellung der Möglichkeit eines Informations-austausches in Netzwerken |
Ziel | Bereitstellung von konsumentenorien-tierten, personalisierten Inhalten über Netzwerke | Ergänzung bzw. Substitution traditioneller Transaktionsphasen über Netzwerke | Komplexitätsreduktion und Bereitstellung von Navigationshilfen und Matching-Funktionen über Netzwerke | Schaffung von technologischen oder kommerziellen Verbindungen in Netzwerken | Schaffung von kommunikativen Verbindungen in Netzwerken |
Erlösmodell | direkte (Premium-Inhalte) und indirekte Erlösmodelle (Werbung) | transaktionsabhängige, direkte und indirekte Erlösmodelle | direkte (Inhaltsaufnahme) und indirekte (Werbung) Erlösmodelle | direkte (Objektaufnahme/ Verbindungsgebühr) oder indirekte (Werbung) Erlösmodelle | direkte (Verbindungsgebühr) und indirekte Erlösmodelle (Werbung) |
Plattform | E-Shop, E-Community, E-Company | E-Shop, | E-Community, | E-Marketplace, | E-Community, E-Shop, E-Marketplace, |
Beispiele | sueddeutsche.de | mytoys.de, amazon.de | yahoo.de, google.de | autoscout.24.de | facebook.com |
Mehrwert | Überblick, Auswahl, Kooperation, Abwicklung | Überblick, Auswahl, Abwicklung | Überblick, Auswahl, Vermittlung, Austausch | Überblick, Auswahl, Vermittlung, Abwicklung, Austausch | Überblick, Auswahl, Vermittlung, Austausch |
Erlösmodell
- Unterscheidung der angebotenen Leistungen in Kern- und Nebenleistung
- Kernleistung: Einnahmen werden direkt durch die angebotenen Produkte oder Dienstleistungen erzeugt
- Nebenleistungen: aufbauend auf den Kernleistungen können zusätzliche Leistungen abgeleitet werden, welche indirekte Einnahmen generieren
- Kombination von Kern- und Nebenleistung
- Singular-Prinzip
- bezahlte Kernleisung steht im Mittelpunkt, Nebenleistung ist nicht vorhanden (z.B. Verkauf über E-Shop)
- Singular-Prinzip
Erlösmodell (2)
- Plural-Prinzip
- bezahlte Kernleistung (z.B. Vermittlungsleistung auf einem E-Marketplace) als auch vermarktbare Nebenleistung (z.B. Verkauf von Marktdaten) werden kombiniert
- Symbiose-Prinzip
- wie beim Plural-Prinzip stehen beide Leistungen im Mittelpunkt, Kernleistung wird kostenlos angeboten (z.B. Teilnahme an E-Community), um die Informationen für die Nebenleistung (z.B. personalisierte Werbung) überhaupt zu erhalten
Erlössystematik
- Margenmodell
- Kosten für die Leistungserstellung werden berechnet und um eine Gewinnmarge erweitert, daraus kann der Preis der Leistung abgeleitet werden
- Bsp.: E-Shop
- Provisionsmodell
- werden insbesondere Fremdleistungen an den Kunden vermittelt, erfolgt für die Leistungsvermittlung eine erfolgsabhängige Provisionszahlung
- Bsp.: Affiliate/Partner-Programme
- Grundgebührenmodell
- wird üblicherweise bei transaktionsunabhängigen Leistungen verwendet
- Bsp.: Aufnahmegebühr in E-Community
E-Commerce
E-Commerce
E-Shops im B2C-Bereich
Motivation am Beispiel der Umsatzentwicklung im
E-Shop
- Website zum elektronischen Einkauf von Produkten oder Dienstleistungen
- beim Einkaufen in einem Online-Shop werden alle Funktionen eines Bestellvorgangs unterstützt
- wie im stationären Handel können Produkte aus einem Warenangebot gewählt und in einen virtuellen Warenkorb gelegt werden


Produkte

- Produkte können physische oder digitale Güter oder Dienstleistungen sein
- Merkmale von digitalen Produkten
- kein Verschleiß
- Erfahrungsgüter
- leichte Änderbarkeit
- geringe Distributionskosten
- bei digitalen Produkten (Software, Musik, E-Books) kann der gesamte Kaufprozess elektronisch abgewickelt werden
Produktkatalog
- ein elektronischer Produktkatalog enthält analog zum klassischen Katalog des Versandhandels die angebotenen Produkte
- Besucher kann Informationen über die angebotenen Waren eines E-Shops abrufen
- Anbindungen an ERP-System


Produktwarenkorb
- enthält zu kaufenden Produkte
- dient als Zwischen- bzw. Kontrollspeicher bei der Produktauswahl
- sollte die folgenden Funktionalitäten haben
- Aufnehmen mehrerer Artikel
- Löschen bzw. Zurücklegen von aufgenommenen Artikeln
- Ansicht der Artikeldetails
- nachträgliches Ändern der Bestellmenge
- Brutto- und Nettopreiskalkulation
- Anzeigen der Versandkosten
- Anzeige möglicher Zahlungsarten
Prozessbereiche beim Online-Kauf

Prozesse beim Online-Kauf
- Produktbestellung (eSales)
- Prozess von der Produktauswahl bis zur virtuellen Kasse
- Faustregel: mit 3 Mausklicks zum Abschluss der Bestellung
- Information, wo sich der Kunde im Bestellprozess befindet
- Eingabe der nötigen Kundeninformationen; Einrichtung eines Benutzerkontos
Prozesse beim Online-Kauf (2)
- Produktbezahlung (ePayment)
- Abschluss der Bestellung bildet die Bezahlung
- Anforderungen: Sicherheit, Bedienbarkeit, Akzeptanz/Verbreitung, Wirtschaftlichkeit
- Produktlieferung (eFulfillment)
- Unterscheidung zwischen elektronischen und physischen Produkten
- Versandprozess bei physischen Produkten durch Paketdienstleister (Deutsche Post/DHL, DPD, GLS, Hermes, UPS)
Zahlungsverfahren
gängige Zahlungsverfahren (in Deutschland)
Offline vs. Online
klassische Verfahren: Rechnung, Vorauskasse, Nachnahme, Lastschrift, Kreditkarte
E-Payment-Verfahren: sofortueberweisung.de, paypal.com, giropay.de

Beispiel: Nachnahme

Beispiel: Lastschrift
E-Payment

E-Payment-Beispiel: giropay

Prozessabläufe bei verschiedenen Zahlungsverfahren

Mögliches Bezahlverhaltensmodell


Mögliches Bezahlverhalten
Z1=Rechnung, Z2=Vorauskasse, Z3=Kreditkarte, Z4=Nachnahme

Prozessbereiche beim Online-Kauf

Monetäre Key Performance Indicators (KPIs)
- KPI = Leistungskennzahl = Messen kritischer Erfolgsfaktoren
- Umsatz
- Bruttoumsatz
- theoretischer Umsatz des E-Shops ohne Abzug von Retouren
- Summe aller erfolgreich abgeschlossenen Bestellungen
- oft für Marketingzwecke veröffentlicht
- Nettoumsatz
- Bruttoumsatz abzüglich der Retouren
- Retourenquote: gibt an, wie viel Prozent des Umsatzes im E-Shop aufgrund von Retouren verloren gehen
- Nettoumsatz = Bruttoumsatz x (1-Retourenquote)
- Bruttoumsatz
Monetäre Key Performance Indicators (KPIs)
- Gewinn
- Nettoumsatz abzüglich aller Kosten
- Prozesskosten für Bestellungen im Shop
- Produktkosten
- Kosten der Zahlungsverfahren
- Nettoumsatz abzüglich aller Kosten
- Marge
- beschreibt die Gewinnspanne
- berechnet sich aus Gewinn / Nettoumsatz bzw. (Nettoumsatz - Kosten) / Nettoumsatz
Monetäre Key Performance Indicators (KPIs)
- jährliche Umsatzkurve
- gibt die jährliche Umsatzverteilung an
- wird oft durch saisonale Effekte beeinflusst (Weihnachtsgeschäft, Nachweihnachtsgeschäft, Ostern, Sommerloch)
- branchenspezifisch
Konversionstrichter eines E-Shops
Beispiel für Konversationsrate

[Quelle: http://www.ibusiness.de/shop/db/ib_shop.780388bma.html]
Weitere KPIs
- durchschnittlicher Warenkorbwert / Warenkorbverteilung
- Durchschnittsalter der Kunden
- durchschnittliche Anzahl der Bestellungen eines Kunden
- durchschnittliche Anzahl der Produkte pro Bestellung
- Geschlechterverhältnis der Kunden
- Anteil der Bestandskunden
- Anteil der Neukunden
Weitere KPIs (2)
- Zahlungsausfallquote
- Return on Investment (ROI)
- Kundenwachstum / Umsatzwachstum
- durchschnittliche Kosten pro Bestellung / Kunde / Besucher
- durchschnittlicher Ertrag pro Bestellung / Kunde / Besucher
- durchschnittliche Zeit auf einer Shop-Seite
Problem bei der Umsetzung von E-Commerce
- E-Commerce ist ein komplexes Netzwerk eng miteinander verzahnter Prozesse
- das reibungslose Zusammenspiel der einzelnen Komponenten ist anspruchsvoll und unabdingbar
- das schwächste Glied in der Prozesskette entscheidet über Erfolg oder Misserfolg
Herausforderungen im E-Commerce

Shop-Lösungen

- Shop-Lösung alleine reicht nicht aus !
- Produktpflege, Fulfillment, Rechnungslegung, …
Full-Service E-Commerce
- alle Aspekte des E-Commerce aus einer Hand
- Vorteile
- schnelle Umsetzung und kalkulierbare Kosten
- geringes Risiko
- erfolgsorientiertes Preismodell
- hohe Erfolgsquote durch E-Commerce Erfahrung des Full-Service-Provider
- innovative Vertriebsmodelle vom Full-Service-Provider
- hohe Skalierbarkeit und Flexibilität
Zielgruppen
Kleine u. mittlere Unternehmen (KMU)
- Charakteristika:
- weniger bekannte Marken
- kleiner Kundenstamm
- kleines Sortiment
- kleines Budget
- Kundenziele:
- schnell live gehen
- fehlendes Know-how ausgleichen
- viel Beratung erhalten
- Features der „Großen“ zu kleinen Preisen nutzen
- Erfahrene Großkunden
- Charakteristika:
- starke und traditionsreiche Marken
- langjährige Erfahrung im E-Commerce
- sehr individuelle Bedürfnisse
- großer Kundenstamm
- großes Sortiment
- Kundenziele:
- BPO (Business Process Outsourcing)
Zusammenstellung eines Leistungsbündels

Full-Service Systemlandschaft

Literatur
[Kollmann 2011] Kollman, T: E-Business - Grundlagen elektronischer Geschäftsprozesse in der Net Economy, 4. Auflage. Gabler-Verlag, 2011, ISBN: 978-3-8349-2452-0
[Merz 2002] Merz, M: : E-Commerce und E-Business – Marktmodelle, Anwendungen und Technologien, 2. Auflage. dpunkt-Verlag, 2002, ISBN: 978-3-89864-123-6
[Stahl 2009] Stahl u.a.: E-Commerce-Leitfaden, Erfolgreicher im elektronischen Handel, 2 Auflage. ibi research an der Universität Regensburg GmbH, ISBN: 978-3-940416-12-4, http://www.ecommerce-leitfaden.de/
[Brüne 2009] Brüne, K: Lexikon E-Business – Online Marketing – E-Commerce – Internet-Prozessmanagement. Deutscher Fachverlag GmbH, 2009, ISBN: 978-3-86641-047-3 (als E-Book in der auf www.ub.uni-leipzig.de erhältlich)